Ich musste heute dienstlich in die Ukraine – nach Lviv (oder ehemals Lemberg). Warum also nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und dort selber hinfliegen habe ich mir gedacht. Zum Glück stand der Termin schon einige Zeit fest, denn einfach mal so in die Ukraine fliegen ist nicht. Das ist so ein Land, wo niemand groß hinfliegt, entsprechend gibt es auch kaum Berichte im Internet, wo man mal nachlesen kann. Also beginnt die Flugvorbereitung erstmal mit lesen der AIP – die gibt es von der Ukraine aus nicht im Internet, erst nach einer Weile habe ich rausgefunden, dass es die AIP anstelle von “halblegalen” Seiten, die man sonst so bei Google findet, auch legal und kostenlos bei Eurocontrol gibt (EAD) – denn die Ukraine ist auch bei Eurocontrol dabei. In der AIP steht jedenfalls: man braucht eine Einfluggenehmigung von den Behörden und die muss man ein paar Tage vorher beantragen. Das die EMail-Adresse in der etwas veralteten AIP, die ich zunächst gefunden hatte, falsch war, wusste ich schon, aber bei der neuen EMail-Adresse kam auch keine Antwort. Zum Glück hatte ich die beantworteten Fragen gemäß AIP nicht auf den letzten Drücker weggeschickt, sondern ein paar Tage vorher. Irgendwann war ich dann aber trotzdem etwas nervös und beim habe dann mal bei der Nummer angerufen, die in der (richtigen, aktuellen) AIP von EuroControl steht. Es entwickelte sich ein etwas bizarres Telefongespräch, in etwa so “Da ist kein Antrag eingegangen, wann wurde der denn geschickt?” “Vorgestern, Gestern, Heute früh und gerade eben nochmal.” “Nein da ist nichts …
Gestern, beim Aufgeben der Flugpläne, habe ich dann in das DAT-Feld vom Flugplan (eigentlich für “Data communication capabilities”) diese Nummer eingetragen, was aber nicht geht, da dort nur Ziffern und Leerzeichen zugelassen sind. Also den “/” durch ein Leerzeichen ersetzt und bei DFS-AIS angerufen. Zum Glück war dort – nach etwas rumfragen – jemand da, der wusste, wie man das eintragen muss (natürlich nicht ins DAT-Feld…). Damit waren schonmal die Flugpläne aufgegeben und es konnte los gehen.
Heute sind wir dann früh in Augsburg gestartet, zunächst nach Brno (Brünn) als Zwischenziel. Nach Lviv ist nämlich ein ganzes Stück – 520 NM (etwa 1000 km) oder 3:20 h Flugzeit. Also ist eine Pause zwischendrin nicht schlecht. Da wollte ich die Chance nutzen, mal wieder in einem neuen Land zu fliegen (Tschechien) und ein neues Länderkürzel ins Flugbuch zu schreiben. Daher Brno, was etwa in der Mitte der Strecke und am Weg liegt. Das Wetter war zwar wolkenlos aber es war relativ dunstig, zumindest am Anfang. Wir sind trotz des guten Wetters IFR geflogen, zunächst die selbe Strecke wie nach Wien, Brno liegt ziemlich genau nördlich von Wien. Schon von der DFS gab es ein direct bis kurz vor Brno. Es ging also gemütlich dahin. Linz Radar wollte uns dann auf FL 100 haben – wegen einem militärischen Sperrgebiet auf dem Weg, hat dann aber mit der tschechischen Flugsicherung gleich koordiniert, das wir direkt zum FAF von Brno fliegen können. Dort war merkwürdigerweise die Piste 10 aktiv, obwohl 7 kt Rückenwind waren. Als wir dann kurz vor dem ILS-Intercept waren, meinte der Lotse dann, es wären jetzt 9 kt Rückenwind und ob wir das akzeptieren könnten. Angesichts der langen Piste sollte das kein Problem sein, also sind wir auch so gelandet. Wie erwartet sind wir ziemlich spät aufgesetzt und recht lange gerollt – die Hälfte der Piste haben wir so gebraucht (ca. 1200 m). Mit heftig Bremsen wäre es vielleicht auch in 1000 m gegangen, aber man sieht schön, das Rückenwind auf kurzen Pisten keine gute Idee ist.
Nach einem Kaffee für uns, Jet A1 für die GIGA und einer sehr unkomplizierten Ausreise-Grenzkontrolle ging es dann weiter in Richtung Lviv. Das Routing war nördlich um die Hohe Tatra, also über Polen, vorbei an Krakau und Rzeszow. Um Brno waren schon ein paar Schauer hochgepoppt, es könnte also wettermäßig spannend werden. Der Abflug war dann dieses Mal eine “visual departure” – also das Gegenteil des “visual approach” – man fliegt zwar formal IFR aber die Strecke muss als Sichtflug zurückgelegt werden, da es keine definierte Route gibt, bis man die Sektormindesthöhe erreicht hat. Die Anweisung war nur “right turn after departure, climb 3000 ft, direct to Holesov” (dem Ende der Abflugstrecke). Kurz hinter Holesov stand dann der erste TCU, denn wir vermieden haben. Weiter auf der geplanten Strecke in Richtung Nordosten sah es auch gar nicht so gut aus, aber es gab relativ bald eine Abkürzung bis querab Rzeszow und damit freie Strecke für uns. Wir sind zwar recht dicht an den vielen Schauern vorbeigeflogen, die sich über der Tatra gebildet hatten, aber wir mussten nur 2-3 Mal durch ein paar kleine Ausläufer davon durchfliegen. Hinter der Tatra war das Wetter dann wieder bestens und auch die Sicht war recht gut.
So konnte man dann gut die tolle neue Autobahn in Richtung Ukraine sehen, der wir im Prinzip gefolgt sind. Diese endet dann in einem großen Platz und danach kommt nichts mehr – das musste die Grenze sein. So krass habe ich bislang noch keine Grenze in Europa gesehen. Nicht nur, dass die Autobahn dort abrupt endet. Auch die Landnutzung: während in Polen viele Felder schon abgeerntet waren bzw. klar erkennbar war, dass die Flächen landwirtschaftlich genutzt werden ist auf ukrainischer Seite dann plötzlich nichts – Brachland. Selbst die Grenze sieht man: beiderseits ein Fahrweg, in der Mitte Busch-/Waldstreifen. Dabei war das ja gar nicht mal der eiserne Vorhang…
Nach der Aktion mit der Einfluggenehmigung hatten wir von der Flugsicherung nicht viel erwartet und waren dann positiv überrascht: gutes Englisch, effektives Radar-Vectoring auf das ILS, Höhenangaben in Fuss (obwohl in den AIP-Karten Meter stehen). Viel besser also als z.B. in Spanien. Wir sind dann also das ILS abgeflogen, was dort interessanterweise erst 1500 ft über Grund intercepted wird. Der Towerlotse hatte auch ein gutes Englisch, lediglich die Windgeschwindigkeit in Meter pro Sekunde war ungewohnt. Darauf war ich aber schon vorbereitet und wusste das es in Knoten ungefähr das doppelte ist. Die Landung war dann ruhig, zum Abstellen ging es am alten Flughafengebäude vorbei, einem architektonischen Juwel aus der Stalinzeit.
Ziemlich überrascht war ich, das neben uns noch eine D-Exxx-Maschine stand. Normalerweise ist ja immer niemand dort, wo ich hinfliege. Die Bodencrew hat uns dann allerdings gesagt, die Maschine stünde nach einer harten Landung beschädigt schon seit 2 Jahren dort. Na Gott sei dank, hat sich heute doch niemand so weit rausgetraut. Zum Glück hatten wir dann heute schon die Idee zu tanken: “Tanken gibts nicht” meinte der Bodencrew-Leiter (es waren 4 Leute gekommen – Chef, Fahrer, Einweiser und vermutlich jemand von der Qualitätssicherung, der aus dem Auto alles beobachtet hat). Das es AvGas nicht geben würde, war mir schon klar, brauchen wir aber auch nicht. Wir haben ihm dann klar gemacht, dass wir den gleichen Sprit haben wollen, wie die Airliner. “Gibts nicht” war wieder die Antwort. Es stellte sich dann heraus, dass man nicht adhoc einfach tanken kann, sondern dass man das hätte vorher organisieren müssen. Der Kollege war zum Glück recht freundlich und konnte halbwegs englisch – er meinte dann, er würde mal einen Kollegen fragen, was man tun kann und sie würden das schon irgendwie hinbekommen. Er hat uns dann sehr schnell durch Grenzkontrolle und Zoll gebracht und dann seinen Kollegen im Terminal dazu geholt. Der war wirklich sehr nett und meinte dann, zum Tanken gäbe es eine ziemliche Bürokratie und er könnte aber schauen, dass wir über die Handling-Firma für die Business Aviation Sprit bekommen. Wir sollten uns mal keine Sorgen machen, er bräuchte nur eine Kopie von meiner Kreditkarte und der ersten Seite vom Pass. Naja, ein gewisses Vertrauen in die Menschen gehört dazu, also habe ich ihm das mal gegeben – zumal er mir auch gleich seine Handynummer, private Mailadresse und Visitenkarte (von der Flughafengesellschaft) gegeben hat. Mal sehen ob das klappt…
Danach ging es mit dem Taxi in die Stadt. Es scheint als haben die Beschreibungen im Internet nicht zu viel versprochen – Lviv ist wirklich schön. Im Krieg nicht zerstört hat es einen sehr schönen Stadtkern und es gibt unglaublich viele Kneipen und Restaurants, die auch alle sehr gut besucht sind. Nur Bier brauen können sie nicht… das erste ALB aus der heimischen Brauerei war jedenfalls für meinen Geschmack viel zu bitter. Das zweite und dritte im Restaurant war dann ganz gut, bei Preisen von umgerechnet 1 Euro für das Bier und 10 Euro für eine ganze Mahlzeit lässt es sich auch gut aushalten.